Konzertperformance mit Big Daddy Mugglestone

Premiere am 11. Januar 2020

1. Februar 2020, c-base, Berlin

1998: Die Traumfabrik Hollywood erzählt in „Der Staatsfeind Nr. 1“ die Geschichte von Edward Lyle, einem unehrenhaft entlassenen NSA-Agenten. Erst als in den Machtkämpfen um die Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen ein Politiker ermordet wird und ein Ornithologe dies zufällig filmt, stellt Lyle den Guten sein Wissen zur Verfügung. Als ehemaliger Abhörspezialist kennt er die Arbeitsweisen der NSA und hilft dem Anwalt Robert Clayton Dean, der von der NSA verfolgt wird. Die beiden Hauptfiguren des Films verkörpern zwei gegenläufige Positionen: Der „ahnungslose“ Dean ist ohne eigenes Verschulden ins Visier der NSA geraten, seine Kreditkarten und die seiner Frau werden gesperrt, Falschinformationen über ihn werden verbreitet. Dem steht der „Überwachungsprofi“ Lyle gegenüber, der seit Jahren abgetaucht ist, keine Freunde, keine Familie mehr hat, dafür aber auch von der NSA nicht mehr auffindbar ist.

Anhand des Films „Der Staatsfeind Nr. 1“ konzipiert Carola Lehmann ein Experiment, das sich mit unseren digitalen Spuren im Netz, aber auch mit Strategien des Unsichtbarwerdens im digitalen Raum auseinandersetzt.

Mittels Sprache, Computerprojektionen, Filmausschnitten und dem Reenacten einzelner Szenen reflektiert die Aufführung die Diskussion über digitale Überwachung und Big Data auf leichte und unterhaltsame Art.

Carola Lehmann schaut „Der Staatsfeind Nr. 1“ und fragt sich: Welchen Rat hat jener fiktive Ex-Mitarbeiter der NSA namens Edward Lyle für uns? Lehmann will wissen, wie viel Informationen über sie in der digitalen Welt erhältlich sind in Form von Kreditkarten- und Girokontoabrechnungen, Rentenversicherungskonto, aber auch von täglichen Googleanfragen, Instagrameinträgen und Smartphonenutzung. Mit einem Hacker ergründet die Performerin die Frage, wie viele digitale Informationen von einem Menschen auffindbar sind und wie bei solch einem Vorhaben am besten vorzugehen ist. Welche Rückschlüsse lassen meine Spuren im Netz auf mein Leben im analogen Raum zu? Können meine digitalen Informationen auf mich als Person neugierig machen?

Lehmann will sich unsichtbar machen und begibt sich vor der Aufführung in die Zirkel der Cryptoexperten, die in Hinterzimmern zeigen, wie sich Internetkommunikation verschlüsseln lässt. Welche hilfreichen Informationen halten diese Experten bereit für das Ziel, von der digitalen Bildfläche zu verschwinden?

Musik

Die Abgründigkeit der digitalen Zeitenwende hat es Aaron Snyder und Lehmann angetan. Darüber machen sie Musik. Durch den musikalischen und theatralen Bezug auf „Staatsfeind Nr. 1“ verorten sich die Zuschauer in der Rasanz der digitalen Entwicklung. 

Durch die Verwendung von Synthesizer- und Drum-Machine-Elementen in Verbindung mit Samples aus früher elektronischer Musik und Instrumenten entsteht ein Proto-Futurismus, der an frühe elektronische Tanzmusik erinnert. 

Mit einfachen harmonischen und melodischen Phrasen, die von einem treibenden und pulsierenden Minimalrhythmus unterstützt werden, erforscht jedes eigens für „Beyond Visibility“ komponierte Stück den Exotismus der “nicht so fernen Vergangenheit”, indem er sich das “Was wird” vorstellt. Snyders Musik ist bisweilen wie ein rührseliges Nicken zu der naiven Erregung, die die digitale Technologie mit sich bringt.

Aaron Snyder wird auf der Bühne eine Mischung aus analogen und digitalen Geräten einsetzen, die modulare Synthese und Rack-Drum-Sounds über Ableton Live ausführen. Dies ermöglicht Echtzeitübergänge und -reaktionen sowie zeitlich festgelegte Musikeinsätze. 

Bisherige Arbeiten von Snyder mit den Texten von Carola Lehmann finden Sie auf Soundcloud unter https://soundcloud.com/carola-lehmann-93900060.